Die Energiewende mit KI beschleunigen
Mit dem Projekt gridcert digitalisiert die CarbonFreed GmbH das Netzanschlussverfahren für Solaranlagen in Deutschland
Um in der Energiewende voranzukommen, den Kohleausstieg zu kompensieren und den steigenden Strombedarf zu erfüllen, hat die Bundesregierung ambitionierte Ziele im Bereich der Erneuerbaren Energien vorgegeben. Diese betreffen auch den Solarausbau, werden aber unter anderem durch einen aufwändigen Zertifizierungsprozess ausgebremst. Die CarbonFreed GmbH aus Meldorf will diesen Prozess beschleunigen – mit dem Spirit eines Start-ups und den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz.
„Wir sind bei den Kapazitäten der Zertifizierungsstellen derzeit bundesweit auf circa 1500 bis 2000 Solaranlagen begrenzt – sprich fünf Gigawatt“, rechnet Geschäftsführer Marko Ibsch vor. „Wir brauchen aber das Vielfache, rund 15 Gigawatt und in etwa 10.000 Anlagen, um die Ausbauziele der Bundesregierung und damit den Umbau des Energiesystems hin zu den Erneuerbaren realisieren zu können.“
Diese Steigerung lässt sich aktuell schwierig gestalten und ist allein mit mehr Personal nicht zu erreichen. Hier setzt CarbonFreed an: „Egal mit wem wir sprechen – Zertifizierer, Netzbetreiber, PV-Entwickler – alle stöhnen, weil der Ablauf der Netzanschlusszertifizierung so komplex, manuell und zeitraubend ist, sodass sich die Elektroingenieure kaum um zusätzliche Anlagen kümmern können. Die benötigte Steigerung der Zubauzahlen wird so nicht möglich sein. Wir fokussieren uns an der Stelle auf die Technologie und digitalisieren das Netzanschlussverfahren und damit die Netzanschluss-Zertifizierung von Photovoltaikanlagen.“
KI kann dem Menschen die Fleißarbeit abnehmen und die Fachkräfte entlasten
Die Herausforderung: Bei jeder Solaranlage größer als 135 kW, die in Deutschland ans Netz geht, muss projektspezifisch nachgewiesen werden, dass die Anforderungen eingehalten werden. Konkret heißt das, dass sie alle Anforderungen des Netzbetreibers einhält, um die Netzstabilität zu gewährleisten und die Systemsicherheit nicht zu gefährden. Diese hierfür benötigten Evaluierungen sind zeitaufwändig. Viele Unterlagen müssen gescreent, gesichtet und Berechnungen durchgeführt werden. Die Datenqualität ist vielfach nicht optimal und die Arbeitsschritte sind hochgradig manuell. Das Ergebnis: Wartezeiten von mehreren Monaten.
Diesen Zustand hat Elektroingenieur Marko Ibsch direkt beobachten können, als er 2019 den Anruf eines Zertifizierers bekam und gebeten wurde zu unterstützen, weil die Auftragsflut kaum noch zu bewerkstelligen war.
„Ich habe schnell gesehen, dass die Arbeitsschritte, die dort gemacht werden, sehr gut automatisierbar sind“, erinnert sich Ibsch. „Ich bin zwar kein Data Scientist, aber privat sehr an KI-Funktionalitäten interessiert und stellte mir die Frage, warum wir noch manuell PDF lesen. Das muss einfach anders gehen.“
Und es geht. Gemeinsam mit seinem Team arbeitete sich Marko Ibsch in die Prozesse ein, um seine Vision zu verwirklichen. Das stetig wachsende Team der 2021 gegründeten CarbonFreed GmbH setzt alles daran, die Anlagen seiner Kunden schneller ans Netz zu bringen und die Zertifizierungsstellen zu entlasten. Die ersten positiven Tests mit der KI sowie der interne Prototyp zur Automatisierung der Prüfberichtserstellung sind vielversprechend und bilden eine sehr gute Basis für die weitere Entwicklung.
„Aus unserer Sicht, unserer Überzeugung und den Tests der vergangenen Monate können wir sagen, dass die KI für diese Arbeit perfekt geeignet ist. Sie kann dem Menschen die Fleißarbeit abnehmen und somit die Fachkräfte entlasten. Eine KI ist sehr gut darin, große Datenmengen robust zu screenen. Hinzu kommt, dass in der Elektrotechnik zum Glück fast alles mit Schlüsselwörtern und DIN-Zeichen versehen und standardisiert ist.“
Das Projekt gridcert spiegelt die Kernthemen der KI-Richtlinie wider
Die Idee: Der KI-Algorithmus übernimmt die Sucharbeit der benötigten Informationen, damit anschließend die Bewertung gegen die Anforderungen stattfinden kann. Durch die Aufbereitung der Informationen und einer vorbereitenden Bewertung sollen die Ingenieure in den Zertifizierungsstellen mehr Zeit für die wichtigen finalen Zertifizierungsentscheidungen haben. „Wir gehen davon aus, dass Zertifizierungsstellen mit unserer Software künftig voraussichtlich sechsmal schneller Zertifikate ausstellen können als vorher.
Über das CAT Meldorf – Netzwerkpartner im KI-Transfer-Hub SH – und Jan Cornils, Innovationsberater bei der WTSH, lernte Marko Ibsch auch Andreas Hennig, Projektleiter des KI-Transfer-Hub SH kennen. Gemeinsam tauchten sie in die Möglichkeiten der Projektförderung und speziell die KI-Richtlinie des Landes ein.
Erneuerbare Energien, KI-Know-how, Wertschöpfung für Schleswig-Holstein: Mit der Projektidee gridcert – einer Software, die mittels KI den innovativen Support in der Anlagenzertifizierung ermöglicht – spiegelt CarbonFreed die Kernthemen der KI-Richtlinie wider. Ende 2021 reichte Marko Ibsch nach der Skizze den Projektantrag bei der Staatskanzlei ein – mit Erfolg.
Digitalisierungsminister Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei, überreichte Marco Ibsch am 16. September den Zuwendungsbescheid über eine Projektförderung in Höhe von knapp 175.000 Euro. (Artikel zum Zuwendungsbescheid).
„Auf dem Weg dorthin war der Austausch mit Jan und Andreas sehr hilfreich. Wir wollten uns als Start-up schnell bewegen, um Programmierer einstellen zu können. Sie verdeutlichten uns in den Gesprächen, worauf es im Antragsverfahren und bei den Zeitschienen ankommt, wie die Zahnräder schnell ineinandergreifen. Wertvoll war die Unterstützung außerdem, um den Antrag in der Detailtiefe und Schärfe abzurunden sowie gut und verständlich zu argumentieren.“
Die Vorarbeit für die erste Version von gridcert ist abgeschlossen. Die ersten Tests sind gemacht. „Es ist großartig, dass es die Richtlinie gibt. Wir hätten das Projekt ohne Förderung in der Form nicht stemmen können, beziehungsweise ohne Förderung circa fünf Jahre später die Software erst bauen können. Aber es ist noch ebenso viel zu tun, um KI-Funktionalitäten in die Anwendung zu bringen. Jetzt sind wir auf der Suche nach guten Köpfen und KI-Entwicklern, um die Software mit Leben zu füllen und die Energiewende mit KI zu beschleunigen.“
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