Ein zweites Leben für Akkus
Das Kieler Unternehmen Heimdalytics entwickelt im Bereich der E-Mobilität KI-gestützte Batteriemanagementsysteme
Die Elektromobilität ist gefühlt noch jung und auf dem Weg, sich zu etablieren, doch schon jetzt ist abzusehen, dass die Phase kommen wird, in der die Fahrzeuge der ersten Generation alt werden und ihre Batterien Probleme machen könnten. „Dafür wollen wir eine Lösung anbieten“, sagt Prof. Dr. Christoph Weber. Sein Unternehmen Heimdalytics in Kiel forscht, entwickelt und produziert im Bereich des Batteriemanagements und setzt dabei Künstliche Intelligenz ein. Refurbishment statt Verschrottung lautet die Parole. Eine kostengünstige und nachhaltige Auffrischung von Lithium-Ionen-Akkus ist das Ziel. Auf dem Weg dorthin wurde Heimdalytics vom KI-Transfer-Hub SH unterstützt.
Batterien von E-Autos werden früher oder später an Fahrleistung verlieren. Möglicherweise wird die Reichweite geringer. Der Weg führt dann in die Werkstatt. Eine neue Batterie ist teuer und bei einem Gebrauchtwagen kaum sinnvoll, weil man für das Geld fast schon einen Neuwagen bekommt. Außerdem ist vor allem die Nachhaltigkeit ein Grund für ein E-Auto und dabei ist es das Beste, die alte Batterie am Leben zu halten. Oft ist auch nur eine Zelle in einem Modul der Batterie defekt. „Mit zwölf Modulen aus einem Unfallfahrzeug lassen sich zwölf Autos reparieren“, verdeutlicht Weber. Für die Suche danach hat Heimdalytics ein Diagnosesystem entwickelt. Es misst die Qualität der gebrauchten Batteriemodule und entdeckt die Schwachstelle.
Schon seit dem Jahr 2008 ist Weber an der Fachhochschule Kiel (FH) als Professor tätig und forscht unter anderem auf dem Gebiet der Traktionsbatterien. Er hat das Start-up Heimdalytics im Jahr 2021 aus der FH heraus gegründet. Der Firmenname ist angelehnt an Heimdall, einem Gott der nordischen Mythologie, der als Schützer aller Götter gilt. Neben der Elektromobilität beschäftigt sich das Unternehmen auch mit Speichersystemen für regenerative Energie.
Batterien von E-Autos bestehen aus mehreren Batteriemodulen. Sobald ein Modul defekt ist, wird derzeit meistens die gesamte Batterie ersetzt. Mit dem Verfahren von Heimdalytics lassen sich die einzelnen Batteriemodule analysieren. Defekte Module können dabei erkannt und aussortiert werden. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz lassen sich die intakten Module mit gebrauchten Ersatzmodulen vergleichen, sodass ein passendes Modul für den Austausch gefunden werden kann. Die KI erkennt den Gesundheitszustand der Batterien.
Für die Untersuchung werden die Batteriemodule ausgebaut. „Dann wird jedes Modul einzeln gemessen“, erklärt Weber. Sind die Batteriemodule dem Diagnosesystem noch unbekannt, so muss das Betriebsverhalten an den Modulen zunächst durch einen kompletten Entladevorgang exploriert werden. Die dabei entstehenden Daten werden zum Training der Künstlichen Intelligenz genutzt. Während der Exploration wird das Spannungsverhalten und eine Art elektrisches „Klangbild“ erfasst und bewertet, um „Misstöne“ zu finden. Dabei werden Strom und Spannung bei unterschiedlichen Frequenzen gemessen. Es kommt auf die sogenannte Impedanz an, den Wechselstromwiderstand. Hierbei geht es um Abweichungen von wenigen Mikro-Ohm. Durch eine Interpretation der Ergebnisse lassen sich Anomalien erkennen. Weber nennt es eine „clevere Messtechnik“, die den SOH-Score (State-of-health) wiedergibt. Mit der Qualitätsbeurteilung durch die KI kann man auf die Suche nach einem passenden Modul unter den eingelagerten Gebrauchtmodulen gehen – und es finden. Weber spricht dabei von einem „Perfect Match“.
Das von Heimdalytics entwickelte Gerät, ein unscheinbarer mittelgroßer schwarzer Apparat, ist mit einer Cloud verbunden, in der die Daten gespeichert sind. Die Künstliche Intelligenz kann mit diesen Daten die passenden Module finden, die im Gleichtakt laufen. Das Start-up wendet ein maschinelles Lernverfahren an, bei der die KI auf Basis des großen Datensatzes eigenständig Wissen erlangt und erweitern kann.
Weber betont die Kombination aus Ingenieurswissenschaft und IT bei Heimdalytics. „Dadurch erreichen wir eine optimale Messtechnik“, sagt Weber. Den Vorteil des Refurbishment müsse man jedoch erst einmal verstehen, meint er. Second Use ergebe einen Bruchteil der Kosten im Vergleich zum Verschrotten und Einbau neuer Batterien.
Einige erkennen das Potenzial bereits. So fand Heimdalytics einen Partner: Das Start-up arbeitet mit dem Renault-Händler Lüdemann & Sens in Norderstedt zusammen, der seit Jahren auf Elektromobilität setzt. Hunderte von Elektroautos wurden hier bereits im Garantiefall repariert. „Dort sammeln sich jetzt viele ausgesonderte Batterien, mit denen wir bei uns arbeiten können“, sagt Weber. Auch ansonsten hat das Verfahren von Heimdalytics bereits international Interesse geweckt, sodass Investoren eingestiegen sind. Und auf Messen stellt das Unternehmen seine Methode vor, um die Branche über die Möglichkeiten zu informieren. Es geht gut voran bei Heimdalytics.
Christoph Weber sieht allerdings auch ein Problem: „Immer mehr Batterienzellen werden verklebt.“ Einzelne Module lassen sich dann aus dem Verbund kaum lösen. Das habe zwar den Vorteil, dass Wärme besser abgeleitet werden kann, aber der Austausch werde dadurch erschwert. Er erhofft sich hierbei mehr Weitsicht im Sinne der Nachhaltigkeit. „Der Austausch muss möglich bleiben“, fordert Weber. Er meint, dass der Gesetzgeber hierüber entscheiden müsse.
Heimdalytics wurde vom KI-Transfer-Hub SH bei einem Förderantrag im Rahmen der KI-Richtlinie begleitet. „Das lief total gut“, sagt Weber. Das Start-up wurde mit Landesmitteln in Höhe von rund 200.000 Euro beim KI-Projekt „Life-Saver-Algorithmus für Lithium-Ionen-Batterien“ gefördert. „Mit diesem Projekt wollen wir erreichen, in die Zukunft zu schauen.“ Weber und sein Team wollen die KI trainieren, den Ladeprozess zu beobachten. „Batterien haben eine Wohlfühltemperatur“, erklärt er. Die liegt zwischen 15 und 30 Grad Celsius. Beim Schnellladen sollte die Batterie nicht wärmer werden. Durch das Batteriemanagement teilt die KI dem Ladegerät mit, wie sich der Ladeprozess entwickeln wird. So kann gegebenenfalls einer Überhitzung entgegengewirkt werden.
Ganz allgemein ist und bleibt Künstliche Intelligenz für Christoph Weber ein Unterstützungssystem. „Es geht weiterhin nur mit Fachpersonal“, sagt der Professor, „denn die KI macht auch mal Fehler.“ Allerdings beobachte er, dass Künstliche Intelligenz eine große Erleichterung für Menschen sein kann. „Wichtig ist dabei, dass man einen kritischen Geist entwickelt.“
Heimdalytics
Marga-Faulstich-Straße 10
24145 Kiel-Wellsee
Tel +49 17648357332
info@heimdalytics.com
www.heimdalytics.com