Bessere Therapien mit Künstlicher Intelligenz
KI-Transfer-Hub SH hat die Perfood GmbH bei der Entwicklung von digitalen, KI-basierten Medizinprodukten begleitet.
Migräne, Diabetes, PCOS – diese und weitere Erkrankungen, die den Betroffenen im Alltag Lebensqualität nehmen können, hängen eng mit dem Blutzuckerspiegel im Körper zusammen. Hier setzt die Perfood GmbH an. Das Unternehmen aus Lübeck entwickelt hochtechnologische, messdatenbasierte Medizinprodukte, die den Blutzuckerspiegel kontinuierlich kontrollieren, sowie Therapien, bei denen individuelle Ernährungsempfehlungen für positive Einflüsse auf die Gesundheit gegeben werden. Begleitet wurde Perfood dabei auch vom KI-Transfer-Hub SH.
Perfood begann vor etwas mehr als fünf Jahren mit der Ausgründung vom Institut für Ernährungsmedizin in Lübeck. „Wir schreiben uns als Vision auf die Fahnen, gesundes Altern zu ermöglichen“, erläutert Dr. Oliver Witt, Head of Data Science. „Wir versuchen konkret, personalisierte Ernährungsempfehlungen zu geben und darüber verschiedene Erkrankungen zu therapieren. Dabei zielen wir auf Erkrankungen ab, die etwas mit dem Blutzuckerstoffwechsel zu tun haben.“
Der Grund: Ein verbesserter Blutzuckerspiegel hat diverse positive Einflüsse auf die Gesundheit. „Man nimmt längerfristig Gewicht ab, hat weniger Entzündungsprozesse oder auch ein verbessertes Hautbild“, zählt Oliver Witt auf. „Über diesen Wirkmechanismus haben wir potenziell viele Erkrankungen, die wir angehen könnten und daran arbeiten wir. Bei Migräne ist die erste Therapie zugelassen, die nächste soll dann Diabetes sein.“
Und wie funktioniert die Anwendung? „Die Patienten tragen einen kontinuierlichen Blutzuckersensor. Dieser Sensor misst für circa zwei Wochen ihre Blutzuckerwerte. Gleichzeitig führen sie ein Ernährungstagebuch mit unserer App. Bei der App können sie auch eingeben, wann sie welche Medikamente eingenommen, wann sie geschlafen, wie sich wie gefühlt oder wann sie Sport getrieben haben.“
KI-Anwendungen sind Teil der Perfood-Vision
Diese Daten fließen bei Perfood zusammen und werden genutzt, um daraus zu erkennen, welche Lebensmittel den Blutzuckerstoffwechsel durcheinanderbringen und welche ihn eher stabil halten. Basierend darauf können die Fachleute personalisierte Ernährungsempfehlungen geben. „Diese Beratung ist wichtig, da jeder sehr individuell auf einzelne Zutaten reagiert: Manche Leute können eine Tafel Schokolade essen und reagieren kaum darauf, bei anderen spielt der Blutzucker verrückt. Wenn eine Person die Messungs- und Ernährungstagebuchphase gemacht hat, können wir daraus Informationen ziehen, um ein generelles Blutzuckervorhersagemodell zu personalisieren.“
Aus diesem Grunde ist bei Perfood neben dem medizinischen Know-how auch ein tiefes Verständnis für Digitalisierung, Datenverarbeitung und Künstlicher Intelligenz notwendig. Oliver Witt ist Data Scientist aus Leidenschaft: „Ich habe mich schon zu Schulzeiten mit KI und Data Science beschäftigt. Bei Perfood spielten Digitalisierung und Automatisierungen, die dazu beitragen, dass wir die Produkte gut skalieren können, von Beginn an eine wichtige Rolle in der Unternehmensentwicklung. KI-Anwendungen kamen mit der Zeit hinzu und wurden Teil unserer Vision, Blutzucker gut vorhersagen zu können – und das können wir tatsächlich jetzt sehr gut.“
Zusammenarbeit mit KI-Transfer-Hub SH für verbesserte Blutzuckervorhersagen
So wurde ein weiteres KI-Projekt des Lübecker Unternehmens, das auf die Behandlung von PCOS (Polyzystisches Ovarsyndrom) ausgerichtet ist, einer hormonellen Erkrankung von Frauen, die zur Unfruchtbarkeit führen kann, 2020 mit Landes- und EU-Mitteln in Höhe von 385.000 Euro unterstützt. Begleitet wurde Perfood auf dem Weg zur Förderung unter anderem durch Philipp Stormer, Innovationsberater der WTSH und Mitarbeiter im KI-Transfer-Hub SH.
Oliver Witt ist seit rund zwei Jahren einer von mittlerweile über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des stetig wachsenden Unternehmens. „Wir haben immer tausende Ideen und wir haben wahnsinnig viele Daten, mit denen man viel machen kann. Wir müssen priorisieren, weil wir als Start-up nicht unbegrenzt Mittel zur Verfügung haben, um allen Ideen nachzugehen. Sehr oft bleiben sehr interessante Fragestellungen liegen.“
Der KI-Transfer-Hub SH konnte dabei unterstützen, dem entgegenzuwirken: Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Perfood GmbH wurde eine Masterarbeit in der Arbeitsgruppe für Zuverlässige Systeme der CAU zu Kiel, Partner im KI-Transfer-Hub SH, durchgeführt.
Oliver Witt erläutert: „In der Künstlichen Intelligenz gibt es eine Technik, mit der man zu den real existierenden Daten künstliche weitere Daten erzeugen kann. Wir haben versucht, diese Technik auf künstliche Blutzuckerkurven anzuwenden, die dann auch für einen Experten nicht mehr von echten Blutzuckerkurven zu unterscheiden sind. Das wäre bei möglichen Lücken hilfreich. Diese Lücken können zum Beispiel bei den Sensoren, die wir verwenden, entstehen, wenn die Sensoren länger nicht ausgelesen werden, weil kein Handy in der Nähe ist, das mit Bluetooth kommuniziert. Dann würde der Speicher auf dem Sensor irgendwann volllaufen und letztlich Daten vergessen. Daraus entsteht eine Lücke in der Blutzuckermessung. Diese theoretische Lücke möchten wir möglichst gut füllen.“
KI bleibt strategisch wichtiger Bestandteil der Unternehmensentwicklung
Eine Studierende der CAU hat sich dem Thema mit Hilfe von sogenannten Generative Adversarial Networks sowohl aus einer wissenschaftlichen Perspektive genähert als auch die prototypische Implementierung durchgeführt. „Diese Arbeit hat uns viel in Richtung KI gezeigt“, bilanziert Oliver Witt, „wir werden mit weiteren KI-Arbeiten daran anknüpfen, zum Beispiel ob wir diese Blutzuckervorhersagen noch genauer machen können, in dem wir Pulsdaten integrieren.“
KI ist bei Perfood angekommen und bleibt auch strategisch ein wichtiger Bereich für das Lübecker Unternehmen. Oliver Witt blickt voraus: „Wir sind heute sehr von den Sensoren, die viel Geld kosten und bei einer Chipkrise vielleicht nicht immer verfügbar sind, abhängig. Auch dürften wir unser Produkt in bestimmte Länder nicht einfach verschicken, weil es dort verschreibungspflichtig ist. Wenn wir auf den Sensor irgendwann verzichten könnten, wäre dies ein großer Gewinn. Möglicherweise gibt es mit KI in Zukunft einen Weg, dies zu umgehen und neue Märkte zu erschließen. In der Entwicklung kann auch hier der KI-Transfer-Hub SH unterstützen und begleiten – zum Beispiel über Abschlussarbeiten, Machbarkeitsstudien und Vernetzungen.“
Perfood GmbH
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