Mit KI zu mehr Qualität und Sicherheit
Neu im KI-Transfer-Hub SH: Bei Thyssenkrupp Marine Systems fließt Künstliche Intelligenz in immer mehr Bereiche ein.
Bei Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) zeigt sich, wie schnell Künstliche Intelligenz Einzug in unsere Arbeitswelt hält und nicht mehr wegzudenken ist. 2020 entwickelte sich eine Arbeitsgruppe, in der mittlerweile fünf Personen hauptsächlich im KI-Bereich tätig sind: die Operation Artificial Intelligence. „Wir kümmern uns um alles mit KI", sagt Jonas Neustock, Team Lead Operations Artificial Intelligence bei TKMS. In kurzer Zeit ist KI somit ein wichtiger Bereich geworden für das große Unternehmen in Kiel, das Schiffe, U-Boote sowie Über- und Unterwassertechnologie produziert. Begleitet wurde TKMS dabei vom KI-Transfer-Hub SH.
Der KI-Experte Neustock erzählt von einem ersten Beispiel für gelungene Forschung und Entwicklung im Bereich Engineering: „Wir wollten die Qualität der Schweißnähte optimieren. Das war insgesamt gesehen ein Riesending.“ Dabei ging es also um Qualitätssicherung. Ziel war es, dass sofort Mängel erkannt und Korrekturen umgehend gemacht werden können. „Das spart immens viel Zeit“, erklärt Neustock. „Das ist schwierig bei besonderen Stahlsorten, bei denen man zwischen Arbeitsschritten mehrere Tage warten muss.“
Er und sein Team haben die KI mit Bilddaten gefüttert. „Wir haben massig Bilder aufgenommen“, erinnert er sich. Unterstützung holten sie sich von der Fachhochschule Kiel und externen Partnern aus der Wirtschaft. Das Ergebnis ist die datenbasierte Schweißoptimierung, bei der Röntgenbilder verglichen werden. Das Team hat die KI trainiert, unterschiedliche Fehlertypen zu erkennen. Folglich kann die KI ableiten, ob es ein Problem bei der Schweißarbeit gibt. Verdächtige Muster bei der Stromspannung, dem Drahtvorschub und dem Motordrehstrom können auf Fehler hinweisen. „Wir fragten uns: Kann die KI Fehler erkennen?“ Die KI hatte eine Trefferquote von bis zu 94 Prozent. „Der Einsatz der KI wird die Fehlerquote deutlich senken“, so Neustock.
Die Anwendung sieht wie folgt aus: Der Schweißer trägt eine besondere Schutzmaske und sieht in seinem Sichtfeld bei einem Fehler ein Lämpchen blinken. Direkt im Arbeitsprozess wird er aufmerksam gemacht. So kann er sofort seine Arbeit korrigieren. „Es ist sogar möglich, eine Sekunde in die Zukunft zu schauen, ob ein Fehler passieren wird“, sagt Neustock. Daran müsse man sich aber erst einmal gewöhnen. „Das kann einen schon ein bisschen verunsichern, weil man seine Leistung infrage stellen könnte.“ Wichtig ist also eine Begleitung und Mitarbeiterschulung in der Lernfabrik.
Auch bei der Qualitätskontrolle hilft KI – bei Korrosionsschutz, Beschichtung und Oberflächenbeschaffenheit. „Dafür mussten wir Labeln“, erklärt Neustock „das ist Fleißarbeit.“ Auf Tausenden von Bildern wird markiert, was ein Mangel ist. „Dabei darf nichts vergessen werden.“ Nach einer Weile wurde neben dem manuellen Labeln die KI angelernt. „Es war also ein fließender Prozess, bis die KI immer mehr Arbeit übernehmen konnte.“ Angefangen haben Neustock und sein Team mit 1.000 Bildern, mittlerweile sind 15.000 Bilder gelabelt. „Man hört damit nie auf.“ Ziel sind 100.000 Bilder pro Use-Case.
In der Produktion kann die KI nun eingesetzt werden, um Mängel schnell durch eine VT-Prüfung (Visual Testing) zu finden. Bei der digital-unterstützen Arbeitsweise hat jeder Arbeiter ein Tablet zur Hand, darauf befindet sich eine KI-Applikation. Wenn nun jemand eine Schweißnaht gezogen hat, kann derjenige mit der Kamera vom Tablet darauf halten und bekommt angezeigt, ob die Schweißnaht den gewünschten Kriterien entspricht. Nicht nur nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag ist es eine gute Hilfe, wenn die KI den Hinweis gibt: „Schau nochmal drüber.“ Falls die Schweißnaht mangelhaft ist, kann sie direkt abfotografiert werden, damit sie wiederum als Beispiel gelabelt und gespeichert wird.
Ein weiteres, sehr wichtiges Thema ist die Arbeitssicherheit. Auch hier kann KI eingesetzt werden. Bei TKMS läuft gerade ein Pilotprojekt an einem Fabrikeingang, bei dem die korrekt sitzende Schutzausrüstung überprüft wird. „Dafür haben wir der KI gezeigt, wie ein Kollege mit Helm und Sicherheitsbrille aussieht“, erzählt Neustock. Falls die KI erkennt, dass etwas nicht stimmt, erklingt ein Audio-Signal und die Person wird darauf hingewiesen, die Schutzausrüstung selbst noch einmal zu kontrollieren. Hierfür wurden 5000 Bilder eingespeist. Die Akzeptanz bei der Belegschaft ist da. „Wir sind, was so etwas betrifft, auch immer in einer guten Kommunikation mit dem Betriebsrat“, sagt Neustock. Sein Erfolgsrezept: „KI funktioniert nur gut, wenn sie mit den Menschen zusammenarbeitet.“
Mit dem KI-Transfer-Hub SH hat TKMS mehrere Ideation-Workshops umgesetzt. Dabei erarbeiteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Netzwerk der Künstlichen Intelligenz sechs mögliche Use Cases und vernetzten das KI-Team um Jonas Neustock mit weiteren Wissenschaftlern der CAU Kiel sowie der FH Kiel. „Die Staatskanzlei, die Hochschulen und die WTSH mit dem KI-Transfer-Hub SH haben uns kräftig unterstützt“, zählt Neustock auf. Es habe konstruktive Gespräche mit immer wieder neuen Impulsen gegeben. Bisher drei Förderprojekte waren die Folge, durch die Forschungsarbeit an Hochschulen finanziert werden konnten. Zum Beispiel wurde das gemeinsame Projekt von der FH Kiel und TKMS zur Schweißoptimierung auf dem Weg zur Landesförderung vom KI-Transfer-Hub SH begleitet und erhielt im Oktober 2022 von Digitalisierungsminister Dirk Schrödter den Zuwendungsbescheid in Höhe von 200.000 Euro. „Wir bringen die Themen mit und profitieren von den Forschungsergebnissen“, beschreibt Neustock dankbar die Zusammenarbeit.
Er ist der Meinung, dass sich noch viel im Bereich der Künstlichen Intelligenz bewegen wird. Genauso schnell, wie alles bei TKMS angefangen hat, werde es weitergehen. Die Stärken von KI lägen dabei auf der Hand. „Wir können aus bestehenden Daten schnell Wissen generieren und in die Anwendung übertragen. Dadurch können Menschen unterstützt und entlastet werden. Zum Beispiel können wir mit KI die Kollegen aus Gefahrenzonen heraushalten.“ Jonas Neustock stellt abschließend fest: „Wir dürfen nicht denken, dass KI das Allheilmittel ist. Allerdings macht KI sehr viel möglich.“
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