Wie Automatisierung und Künstliche Intelligenz helfen, die Qualität von Pulverpresstabletten zu sichern
Ideation Workshop, Machbarkeitsstudie und KI-Förderbegleitung durch den KI-Transfer-Hub SH
Der KI-Transfer-Hub SH unterstützt das Kieler Start-up myStandards dabei, die Qualitätssicherung der hauseigenen Produktion zu sichern. Die Pulverpresstabletten des Unternehmens werden als Kalibrationsstandards für chemische Analysegeräte weltweit eingesetzt . Durch die Integration einer KI-basierten Software können die Tabletten automatisch klassifiziert und so die Qualität unabhängig überprüft werden.
Das Klimaforschungsinstitut aus Bremen, der Schmucksteinhersteller aus den Niederlanden, der Produzent für Bohrkernscanner aus Schweden, das Bergbauunternehmen aus Kanada, die Minen-Betreiber in Afrika oder Australien – weltweit benötigen Spezialisten auf ihrem Gebiet für ihre Analyselabore, Proben und Produkte, hocheffiziente Geräte, die genaue und validierte Analysen liefern. Ein wichtiger Baustein dabei ist ein Start-up aus Kiel – die myStandards GmbH. Das Unternehmen stellt Pulverpresstabletten her, sogenannte Nano- Pellets, die als Kalibrationsstandards für chemische Analysegeräte dienen.
„Vorherige chemische Analysen des Bodens sind notwendig, um zum Beispiel Fehlförderungen von seltenen Erden zu vermeiden, die Schwermetallbelastung von Böden zu erkennen oder festzustellen, ob Schmucksteine legal importiert werden oder aus einem Konfliktland kommen, aus dem gar nicht importiert werden darf“, erläutert Geschäftsführerin Christina Wittke, „die dafür genutzten Analysegeräte können direkt den Feststoff analysieren. Man mag es gar nicht vermuten, aber normalerweise müssen diese Gesteine in Säure aufgelöst auf ihre Bestandteile untersucht werden. Doch Probennahme und Analyse kostet in diesem Fall natürlich viel Zeit, da sie extra in ein geeignetes 'Säure-Labor' gebracht werden müssen. Relativ neu sind in diesem Feld Geräte die durch zum Beispiel Röntgenstrahlung die chemische Zusammensetzung direkt vor Ort untersuchen können. Solche Geräte sind sehr sensibel und müssen genau wie in einem potenziellen Minengebiet, wie auch im Labor ständig auf ihre Funktionalität bei ständig wechselnden Bedingungen überprüft und angepasst werden – und das passiert durch die sich ständig wiederholende Kalibration der Geräte.“
Bislang gab es keine geeigneten Kalibrationsstandards für die Feststoffanalytik. Dies hat myStandards geändert. Simon Nordstad, der zweite Geschäftsführer, entwickelte bereits zu Zeiten seines Masterstudiums ein Verfahren zur Herstellung von Pulverpresstabletten, die bindemittelfrei und ultrahomogen aus genau dem Material bestehe, das auch analysiert wird (die Kalibration kann also der Probe haargenau angepasst werden) und dadurch die exakte Kalibration der Analysegeräte garantieren.
Produktionsabläufe durch Künstliche Intelligenz optimieren
Die myStandards GmbH ist hervorgegangen aus einem Projekt an der Christian-Albrechts-Universität. Es wurde gefördert über das Zentrum für Entrepreneurship und erhielt 2017 vom Bundeswirtschaftsministerium die sogenannte Exist-Förderung, das höchst dotierte Stipendium in Deutschland für hochinnovative Ausgründungen aus der Universität. Mittlerweile ist myStandards ins Kieler Innovations- und Technologiezentrum umgezogen und hat dort ein eigenes Produktionslabor installiert.
„Wenn ein Nano-Pellet unser Haus verlässt, dürfen natürlich weder Schäden noch Verunreinigungen vorliegen. Denn mit einem fehlerhaften Nano-Pellet kalibrierte Analysen können weitreichende Folgen haben.“ sagt Christina Wittke „Ein Nano-Pellet kostet circa 400 Euro pro Stück. Dafür darf die Kundin oder der Kunde ein einwandfreies Produkt in extrem hoher Qualität erwarten.“
Um dies zu gewährleisten, werden die Nano-Pellets mit einem Lichtmikroskop abgescannt. Die unternehmensinterne Qualitätssicherung fotografiert und wertet händisch aus und entscheidet dann, ob ein Nano-Pellet die Kontrolle besteht oder nicht. „Das dauert pro Nano-Pellet circa 15 Minuten. Diesen Produktionsablauf wollen wir optimieren und durch eine intelligente Automatisierung beschleunigen.“
Ideation Workshop, Machbarkeitsstudie und KI-Förderbegleitung
Die Idee: eine KI zu trainieren, welche die Pellets auswertet und nicht nur ermitteln kann, ob etwas fehlerhaft ist, sondern auch, wo sich welcher Fehler befindet. Das Problem: myStandards hatte zu wenig Bilddaten für ein maschinelles Lernen. Der Weg führte Christina Wittke und ihr Team im April 2021 zum KI-Transfer-Hub SH. „Im ersten Schritt haben wir nach einem Ideation Workshop die Möglichkeiten einer Machbarkeitsstudie untersucht“, sagt Projektleiter Andreas Hennig, „dafür waren wir mit den KI-Projektmanagern und Managerinnen Karolina Ochs von der CAU Kiel sowie Sina Scholz und Daniel Mansfeldt von der FH Kiel, allesamt Partner im KI-Transfer-Hub SH, im Labor der myStandards GmbH vor Ort und haben uns die Produktionsabläufe angeschaut.“
Mit dem Ergebnis, dass sich eine Machbarkeitsstudie sehr gut umsetzen ließ. Die bestehenden Bilddateien wurden nach und nach transformiert sowie intensiv bearbeitet. Dadurch konnten circa 8.000 neue Bilder generiert und mit ihnen die neuronalen Netze gefüttert werden.
„Die Ergebnisse, genauso wie die Zusammenarbeit, waren für mich unfassbar spannend“, fasst Christina Wittke zusammen, „außerdem war es schön zu beobachten, mit wie viel Engagement alle Beteiligten an einem Produkt gearbeitet haben, das erst einmal nichts mit Künstlicher Intelligenz zu tun hat. Die erfolgreiche Machbarkeitsstudie gab uns einen Boost für die eigene Motivation, dass wir auf dem richtigen Weg sind sowie einen Schub für unsere Projekte und den damit verbundenen Förderantrag.“
Auch hierbei wurde myStandards vom KI-Transfer-Hub SH begleitet. „Die KI-Förderrichtlinie lässt sich sehr gut auf die Arbeit bei myStandards anwenden“, sagt Andreas Hennig, „sie haben einen hochtechnischen Produktionsprozess, der an einer Stelle extrem verlangsamt wird und nicht durch Personal behoben werden kann. Die Richtlinie ist dafür da, KI in kleine und mittlere Unternehmen zu integrieren und Prozesse zu optimieren.“
„Die Förderbegleitung hat uns viel gebracht. Das Feedback war sehr produktiv und hat uns auch in ganz neue Richtungen denken lassen. Wir sind zwar in der schleswig-holsteinischen Förderlandschaft zu Hause – aber KI-Richtlinien sind dann doch etwas Neues für uns“, ergänzt Christina Wittke. Hinzu komme, dass eine potenzielle Förderung von 90 Prozent selten , aber enorm hilfreich für ein Start-up sei. „Die Hilfe beim Förderantrag, aber vor allem die Arbeit an der Machbarkeitsstudie hat uns auch unsere Unsicherheit in diesem Thema vergessen lassen. Als chemisch-analytisches Start-up ist unser Know-How im Bereich Künstliche Intelligenz logischerweise langfristig ausbaufähig.“
Der Förderantrag ist auf einem sehr guten Weg. Bei einem positiven Bescheid wird Tom Hartelt, Informatiker bei myStandards gemeinsam mit der Qualitätsbeauftragten Lena Stölting und den Erkenntnissen aus der Machbarkeitsstudie die neuronalen Netzwerke weiter trainieren und in dem Zuge einen verbesserten Positioniertisch mit neuer Steuerungssoftware bauen.
„Wenn alles klappt, können wir die Prüfzeit für ein Nano-Pellet von derzeit 15 Minuten auf rund zwei Minuten reduzieren. Diese Weiterentwicklung ermöglicht uns effektiveres Arbeiten sowie einen wichtigen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt. Wir hätten dann ein hochaufgelöstes Bild von jedem Nano-Pellet, das wir an unsere Kunden und Kundinnen weltweit verschicken können inklusive einer neutralen, KI gestützten Qualitätssicherung. Darüber hinaus haben wir schon jetzt mit dem KI-Transfer-Hub SH einen langfristigen Ansprechpartner im Bereich der Künstlichen Intelligenz gefunden.“
myStandards GmbH
Christina Wittke
Schauenburger Straße 116
24118 Kiel
+49 431 90 89 20 25
info@my-standards.com
www.my-standards.com