Batteriespeicher auf vier Rädern
Mithilfe von KI untersucht eine Lübecker Forschungsgruppe, wie Bürger und Bürgerinnen mit E-Autos die Stromnetze beeinflussen. Das Land Schleswig-Holstein fördert das MASIRI-Projekt in Höhe von rund 600.000 Euro.
Die geteilte Nutzung verfügbarer Energie durch den Mobilitätssektor und das Stromnetz ist eine der größten absehbaren Zusatzlasten für unsere Energienetze. Das menschliche Verhalten in Bezug auf die Nutzung von Elektrofahrzeugen zu verstehen, ist daher ein Forschungsansatz, der vielfältigen perspektivischen Nutzen bringt: Lastspitzen könnten langfristig umgangen werden, die Ladeplanung könnte automatisch verbessert werden.
Einen Schritt in diese Richtung machen Forschende aus den Bereichen Psychologie und Informatik nun zusammen im Projekt MASIRI: Sie erforschen das menschliche Verhalten und bereiten dieses Wissen in Form einer Multi-Agenten-Simulation auf, mithilfe derer eine intelligente Ressourcenverteilung optimiert werden kann.
Mehr Effizienz durch den Einsatz von KI
Der Förderbescheid des Landes Schleswig-Holstein in Höhe von rund 600.000 Euro für die Umsetzung des MASIRI-Projekts wurde am 01. September vom Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Dirk Schrödter, in Lübeck übergeben:
„Die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft gelingt nur dann, wenn wir die Sektorenkopplung, vor allem im Bereich der Energie und der Mobilität, konsequent umsetzen. Dank des Einsatzes von künstlicher Intelligenz kann es gelingen, beispielsweise im Bereich Elektromobilität zu noch mehr Effizienz zu kommen, insbesondere dann, wenn das menschliche Verhalten berücksichtigt wird. Nur wenn wir das technische Potenzial mit dem Nutzverhalten in Einklang bringen, kann ein aktiver Beitrag im Sinne des Klimaschutzes geleistet werden. Genau hier setzt das Projekt MASIRI an, und daher unterstützen wir es als Land sehr gerne“, sagte Schrödter. Das Projekt zeichne sich auch durch die enge Zusammenarbeit verschiedener Institute an der Universität aus: „Genau diese fächerübergreifende Zusammenarbeit brauchen wir. Hier zeigt sich wieder eindrucksvoll, was für ein starker Standort Lübeck für die KI-Forschung ist.“
Vor allem Unternehmen oder öffentliche Verwaltungen sind vor der Umsetzung von sogenannten Vehicle-x-Grid (VxG)-Projekten, bei denen Elektrofahrzeuge nicht nur laden, sondern auch Energie ins Stromnetz einspeisen, mit einer großen Unsicherheit konfrontiert. Denn Menschen haben vielfältige und komplexe Energieanforderungen, die sich ständig ändern. Dies erschwert die optimale und energieeffiziente Verteilung der Energie. Genau hier kann die Forschung im Rahmen des Projekts MASIRI nun ansetzen.
Das interdisziplinäre Projekt MASIRI hat den Aufbau einer innovativen Multi-Agenten-Simulation mittels intelligenter Energie-Agenten-Modellierung zum Ziel, die auf der Grundlage einer psychologischen Betrachtung des Verhaltens der Nutzerinnen und Nutzer der Energie fußt. Das Projekt geht der Frage nach, welchen Einfluss menschliches Erleben und Verhalten auf die Mobilitäts- und Energienutzung in VxG-Systemen hat und wie dieses Wissen für die optimale Gestaltung solcher Systeme verwendet werden kann. Dadurch soll es einfacher werden, VxG Projekte, wie eine neue Firmenflotte oder neue Ladeinfrastruktur in Städten, effizient und menschzentriert zu planen.
“Der tatsächliche Erfolg von Energie-Mobilitätssystemen, wie dem VxG, hängt maßgeblich von psychologischen Faktoren und dem daraus entstehenden Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer ab. Dies wird bei bisherigen technischen Simulationen noch zu wenig betrachtet”, betont Prof. Dr. Thomas Franke, Professor für Ingenieurpsychologie und Kognitive Ergonomie.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Mehrere Institute der Universität zu Lübeck arbeiten zusammen, um das gemeinsame Projektziel zu erreichen. So modellieren das Institut für Multimediale und Interaktive Systeme (IMIS) und das Institut für Software Engineering und Programmiersprachen (ISP) das menschliche Verhalten und die technischen Zusammenhänge in Bezug auf Energie und Mobilität und bauen daraus eine Simulation mit intelligenten und selbst-lernenden Agenten auf. Ein übergreifender Optimierungsalgorithmus soll Veränderungen im System vorschlagen.
“In der Realität passen sich Menschen an die dynamischen Veränderungen in einem solchen System mit ihrem Verhalten an. Diese Anpassungen simulieren wir durch den Einsatz von Anwendungen des maschinellen Lernens”, so Prof. Dr. Martin Leucker vom ISP.
Die Simulation wird durch die Professur von E-Government und Open Data Ecosystems mit öffentlichen Daten erweitert. “Die Ergebnisse der Simulation haben einen echten Mehrwert für alle Akteure, die Energie-Mobilitätssysteme entwickeln und Entscheidungen treffen, z.B. öffentliche Verwaltungen. Deren Anforderungen nehmen wir auf und beziehen sie im Projekt mit ein”, ergänzt Prof. Dr. Moreen Heine. Ziel ist die Entwicklung eins nutzerzentrierten Systems, welches die Auswirkungen unterschiedlicher Strategien im Bereich des Energiemanagements simulieren kann.
Daten aus einem Reallabor
Die für die Simulation notwendigen Energie- und Mobilitätsdaten kommen dabei aus dem Reallabor ReNuBiL, welches sich direkt auf dem Campus der Uni Lübeck befindet. Zwei Elektrofahrzeuge stehen dort zur Nutzung bereit. Sie werden unter realistischen Bedingungen benutzt. Die so erhobenen Daten fließen in die Auswertung ein. “Die enge Verbindung der Simulation zum echten Nutzerverhalten ermöglicht uns immer realistischere Simulationsergebnisse und macht das Projekt MASIRI so besonders”, ergänzt Markus Gödker, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektkoordinator.
Damit wird ein intelligentes System aufgebaut, das in der Lage sein wird, das Energiemanagement zu optimieren und strategische Entscheidungen in Bezug auf die Entwicklung neuer Geschäftsfelder, infrastruktureller Maßnahmen und energiepolitischer Interventionen im Sinne einer synergetischen Integration der energie- und mobilitätsbezogenen Systemkomponenten vorzuschlagen.