KI für ein ökologisch nachhaltiges Versorgungsnetz
FH Kiel entwickelt agentenbasierte Lastmodellierung für die SWKiel Netz GmbH
Wie ist aktuell die Auslastung der Netzanschlüsse an einem Mehrfamilienhaus, einer Straße oder einem Stadtquartier? Wie kann sich das Versorgungssystem den heutigen veränderten Rahmenbedingungen anpassen? Was muss für eine bestmögliche Infrastruktur getan werden? Und wie können Zukunftstechnologien wie KI dabei effektiv unterstützen?
Vor diesen und weiteren Fragen stehen Netzbetreiber wie die SWKiel Netz GmbH. Seit 2001 fungiert das Unternehmen der Stadtwerke Kiel AG als Betreiber für die Strom-, Erdgas-, Wasser- und Fernwärmenetze im Kieler Stadtgebiet sowie in verschiedenen Kommunen des Umlandes. Zu den Aufgabengebieten gehören neben der Instandhaltung der Versorgungsnetze auch der Ausbau und die Weiterentwicklung des heutigen Verteilnetzes.
„Den Energiebedarf der Verbraucher müssen wir in jeder Sekunde zur Verfügung stellen,“ sagt Silas Reigardt, Projektingenieur bei der SWKiel Netz GmbH, „das Verbrauchsverhalten haben sich dabei in Zeiten von Klimawandel und aktuell Corona-Pandemie verändert. Viele Menschen arbeiten jetzt im Homeoffice. So kommt es vor, dass in einer Familie gleichzeitig der Rechner läuft, gekocht und geduscht sowie das E-Auto vor dem Haus geladen wird. Die Anfragen für Wallboxen beispielsweise sind bei uns im vergangenen Jahr um 50 Prozent gestiegen.“ Die Anforderungen, die an das elektrische Verteilnetz gestellt werden, steigen stetig im Rahmen der Energiewende. Diese Entwicklung müssen die Energieversorger mit ihrem Netzbetrieb berücksichtigen.
„Unser Ziel ist es, möglichst genaue Aussagen darüber treffen zu können, inwieweit das elektrische Netz derzeit und in Zukunft ausgelastet ist.“ Eine Messinfrastruktur wird zur Vermeidung von immens hohen Kosten im Bereich der Ortsnetze jedoch nicht flächendeckend eingesetzt. Ein möglicher Ansatz stellt dabei die agentenbasierte Lastmodellierung dar. In diesem Ansatz werden die Energieabnehmer (Agenten) synthetisch modelliert und dann in Simulationen für Prognosezwecke verwendet. Hierbei lassen sich Trends berücksichtigen und in ihren Auswirkungen auf das jeweilige Ortsnetz untersuchen. „Dieser Bereich ist nicht unsere Kernkompetenz, sondern die der Data Scientists“, sagt Silas Reigardt, „daher waren wir sehr glücklich über das gemeinsame Projekt mit der Fachhochschule Kiel.“
Die Zusammenarbeit ist eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Hochschule
Im Rahmen eines sogenannten Application-Projektes, das sich an Master-Studierende des Studienganges Data Science an der FH Kiel richtet, wurde das Projekt einer agentenbasierten Lastmodellierung zwischen März und Juni 2021 ausgearbeitet und umgesetzt. Betreut wurde die Zusammenarbeit vom Leiter des KI-Labors der Fachhochschule Prof. Dr. Michael Prange. In einem agilen Arbeitsprozess tauschten sich die Projektbeteiligten regelmäßig aus, hielten sich über ihre Erkenntnisse auf dem Laufenden und sprachen auch über die Hürden, die es zu überspringen galt. So mussten in den gesammelten Daten beispielsweise Doppeleinträge korrigiert und rund 8000 Verbraucher – anders als zunächst angenommen – nicht als Privat-, sondern als gewerbliche Haushalte bewertet werden.
Zuständig auf Seiten der FH Kiel war Master-Student Max Brede: „Unsere Herangehensweise war es, die Daten der SWKiel Netz GmbH mit öffentlichen Daten zu verschneiden. Wir haben im Verlauf verschiedene Methoden kombiniert, um an die notwendigen Daten zu kommen – insbesondere Textmining- und Cluster-Verfahren.“ Bei der Datennutzung stellen sich automatisch datenschutzrechtliche Fragen. Max Brede dazu: „Wir gehen sensibel und verantwortungsvoll mit den Daten um. Es gibt eigentlich immer Lösungen, sodass Unternehmen die Hoheit über ihre Daten behalten. In unseren Fall waren die Nutzerdaten der Kieler Netzgesellschaft zu keinem Zeitpunkt auf unserer Festplatte. Darüber hinaus haben wir bei unserem Modell auch Open Data Plattformen wie die der Stadt Kiel genutzt.“
Die Zusammenarbeit zwischen FH Kiel und der SW Kiel Netz GmbH war eine Win-Win-Situation. Die Studierenden konnten Domänenwissen aufbauen sowie Gelerntes praktisch und sinnvoll anwenden – konkret mithilfe von simulierten Daten eine agentenbasierte Lastmodellierung bauen. Und der Nutzen für den Netzbetreiber? „Wir haben gute Erkenntnisse erlangt. Zum einen sind wir auf unserem Weg zur weiteren Digitalisierung und zur Aufarbeitung interner Daten hin zur Stadtwerke Cloud wichtige Schritte gegangen“, sagt Silas Reigardt, „zum anderen hat uns die Lastmodellierung wichtige Impulse gegeben für das Ziel eines effektiven, ökologisch nachhaltigen, Versorgungsnetzes. Perspektivisch wollen wir reale Prognosemodelle entwickeln – natürlich mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz.“
Weitere Informationen und Ansprechpartner zum Bereich Data Science der FH Kiel finden Sie hier.